Entsendung nach ItalienBaustellenpunkteführerschein: Das müssen Sie wissen
Unternehmen und Selbstständige, die auf Baustellen in Italien tätig sind, müssen seit 1. Oktober 2024 bei der italienischen Nationalen Arbeitsaufsichtsbehörde (INL) einen sogenannten Punkteführerschein auf Baustellen „patente a crediti“ beantragen. Wir erklären, was es damit auf sich hat.
Was ist der Baustellenpunkteführerschein?
Seit dem 1. Oktober 2024 gilt laut des italienischen Einheitstextes zum Gesundheitsschutz und zur Arbeitssicherheit am Arbeitsplatz für Unternehmen und Selbstständige, die auf temporären oder mobilen Baustellen tätig sind, die Pflicht, einen von der italienischen Nationalen Arbeitsaufsichtsbehörde (INL) ausgestellten „Punkteführerschein für Baustellen“ zu besitzen.
Der Punkteführerschein wird bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen des geltenden italienischen Arbeitssicherheitsrechts ausgestellt. Für das Nichtvorliegen des Punkteführerscheins oder bei weniger als 15 Punkten auf dem Führerschein drohen empfindliche Sanktionen (siehe unten).
Unter einer temporären / mobilen Baustelle versteht man einen Ort, an dem folgende Bau- oder Tiefbauarbeiten durchgeführt werden:
Bau-, Instandhaltungs-, Reparatur-, Abriss-, Erhaltungs-, Sanierungs-, Umstrukturierungs- oder Ausstattungsarbeiten, die Umwandlung, Erneuerung oder der Rückbau von festen, dauerhaften oder temporären Bauwerken aus Mauerwerk, Stahlbeton, Metall, Holz oder anderen Materialien, einschließlich der tragenden Teile von Stromleitungen und elektrischen Anlagen, sowie Straßen-, Eisenbahn-, Wasser-, See-, Wasserbau- und Hydraulikarbeiten; zusätzlich für den Bereich, der Bau- oder Tiefbauarbeiten umfasst, auch Entwässerungsarbeiten, Forstwirtschaftsprojekte und Erdarbeiten; Aushubarbeiten sowie die Montage und Demontage von Fertigteilen, die bei der Ausführung von Bau- oder Tiefbauarbeiten verwendet werden.
Wer haftet?
Seit dem 1. Oktober 2024 muss jedes Unternehmen / Selbstständige, das auf temporären oder
mobilen Baustellen tätig ist, den Punkteführerschein beantragen.
Der italienische Auftraggeber / Verantwortliche für die Arbeiten ist verpflichtet zu prüfen, ob die ausführenden Unternehmen / Selbstständigen, auch im Falle von Unteraufträgen im Besitz des Führerscheins (oder eines gleichwertigen Dokuments) sind. Andernfalls drohen Strafen.
Wie funktioniert das Punktesystem?
Der Führerschein wird mit einer Basispunkteanzahl von 30 Punkten und einer maximalen Punkteanzahl von 100 ausgestellt (die zusätzlichen Punkte werden rückwirkend nach weiterer Entwicklung des Portals hinzugefügt). Die Punkte, die über die Basisanzahl hinausgehen, werden beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen hinzugefügt.
Beispiele: Aufgrund des Alters des Unternehmens können bis zu 10 Punkte vergeben werden. In Bezug auf Tätigkeiten, Investitionen oder Schulungen im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz können bis zu 30 Punkte vergeben werden.
Der Punktestand des Führerscheins kann auch gekürzt werden:
Beispiele: Mangelnde Verfassung des Dokuments zur Risikobewertung (5 Punkte), mangelnde Verfassung des Notfall- und Evakuierungsplans (3 Punkte), mangelnde Schulung und Ausbildung (2 Punkte).
Welche Voraussetzungen müssen für die Ausstellung erfüllt sein?
Folgende Voraussetzungn müssen vorliegen:
- Eintragung bei der zuständigen IHK / HWK
- Erfüllung der Schulungspflichten gem. GvD 81/08, durch Arbeitgeber, Führungskräfte, Vorarbeiter, Selbstständige und Arbeitnehmende
- Bescheinigung über die ordnungsgemäße Abführung der Sozialabgaben (für italienische Unternehmen: DURC; für ausländische Unternehmen: A1-Bescheinigung)
- Risikobewertung (in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen)
- steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung (in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen)
- Ernennung des Leiters des Arbeitsschutzdienstes (in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen)
Wie läuft die (vorläufige) Beantragung ab?
Der Antrag muss gestellt werden ...
- vom gesetzlichen Vertreter des Unternehmens,
- vom Selbstständigen oder
- von einem Bevollmächtigten
Ausländische Unternehmen, die in der EU ansässig sind, müssen eine sogenannte Selbsterklärung abgeben:
- über das Vorliegen eines dem italienischen Führerschein gleichwertigen Dokuments, das von einer Behörde des Herkunftslandes ausgestellt wurde oder
- über das Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen
Die Selbsterklärung muss vom Antragsteller unterzeichnet und eine Kopie des Ausweises / Reisepasses des
Erklärenden beigefügt werden. Die gesetzlichen Vertreter und Bevollmächtigten italienischer Unternehmen sowie italienische Selbstständige können den Antrag bereits über das Portal der italienische Arbeitsaufsichtsbehörde (INL) stellen. Dabei müssen sie sich mit deren digitalen Identität (SPID) einloggen.
Übergangslösung für ausländische Unternehmen bis November 2024
Die gesetzlichen Vertreter und Bevollmächtigte ausländischer Unternehmen sowie ausländische Selbstständige können den Antrag voraussichtlich ebenfalls online stellen, sobald der Zugang auch für sie eingerichtet wurde. Geplant ist dies ab November 2024.
Vorläufig kann die Selbsterklärung samt Kopie des Ausweises des Erklärenden per Mail an folgende Adresse geschickt werden: dichiarazionepatente@pec.ispettorato.gov.it Hierfür ist eine zertifizierte E-Mail-Adresse notwendig. Da deutsche Unternehmen meist keine solche E-Mail-Adresse besitzen, muss also in der Regel ein italienischer Bevollmächtiger dies erledigen (bspw. der Auftraggeber oder die Deutsch-Italienische Auslandshandelskammer).
Zur Beantragung des Punkteführerscheins wenden Sie sich bitte an die Kolleginnen und Kollegen der AHK Italien.
Welche Sanktionen drohen?
Bei Ausübung von Tätigkeiten auf der Baustelle durch das Unternehmen / den Selbstständigen und Nichtvorliegen des Führerscheins beziehungsweise Vorliegen eines Führerscheins mit < 15 Punkten drohen:
- die Unterbrechung von dessen Tätigkeiten auf der Baustelle
- Sanktionen in Höhe von 10% des Auftragswertes (mit einer Mindestsanktion von 6.000 Euro)
- die Untersagung der Teilnahme an öffentliche Arbeiten für sechs Monate
Wird nach der Ausstellung des Führerscheins rechtskräftig festgestellt, dass bezüglich der vorzuweisenden Voraussetzungen Falschaussagen getätigt wurden, wird der Führerschein für 12 Monate widerrufen. Nach Ablauf der Monate kann ein neuer Führerschein beantragt werden.
Quelle:
AHK Italien